06.06.2009: Anfängerfehler
Die Spitzenkandidatin der FDP hat nicht begriffen, wie die Welt heute funktioniert.
Über den Anteil der Sitzungstage des Europaparlaments, an denen sie tatsächlich anwesend war, ist ein Streit entbrannt. Zunächst ging es darum, ob die Sitzungen, die sie wegen Mutterschutzes versäumt hat, als versäumt gezählt werden dürfen oder nicht. Dann darum, ob die deswegen versäumten Tage als „virtuell anwesend” zu zählen sind oder nur einfach von der Gesamtzahl abgezogen werden müssen (Letzteres natürlich, sagt mein gesunder Menschenverstand). So weit, so schlecht.
Wie man aber auf die Idee kommen kann, in der heutigen Mediengesellschaft gegen die Veröffentlichung eines Zeitungsartikels in der F. A. Z. mit einer Einstweiligen Verfügung vorzugehen, erschließt sich mir nicht. Was in einer Tageszeitung wie der F. A. Z. veröffentlicht wurde, haben so viele Leute gelesen, daß es überhaupt nichts mehr bringt, dagegen noch anders vorzugehen als mit einer Gegendarstellung. Dazu kommt noch, daß sie möglicherweise – das ist noch unbewiesen, aber es sieht schon ein bißchen so aus – bei der Beantragung der Einstweiligen Verfügung eine unwahre Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Und das wäre dann strafbar.
Aber es kommt noch besser. Als die junge Dame in einer Talkshow auf das Thema angesprochen wurde, obwohl das nicht abgesprochen war, hat sie erst recht uncool reagiert und dann im Nachhinein versucht, die Ausstrahlung der Sendung rechtlich zu verhindern. Wenn man Negativpublicity erzielen will, dann ist das der richtige Weg. Dazu hat sie wohl auch noch ihre Anwälte auf ein Blog angesetzt, das über die Verhandlung über die Einstweilige Verfügung bericht hat. Noch ein böser Fehler.
Ach ja: Sie hat verloren, die Einstweilige Verfügung ist weg.
Na, hat das alles Eure Lust auf unsere Politikerkaste gesteigert? Nein? Sollte die Politikverdrossenheit und niedrige Wahlbeteiligungen vielleicht durch solche Stümperei gefördert werden? Könnte man ja mal drüber nachdenken. Und den Anwälten frei geben.
eine Antwort auf „Anfängerfehler“
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von Optimum
am 10.06.2009:
Ich glaube nach all den Europaparlamentskandalen um frühes Abreisen, Stempeln oder Stempeln lassen und woanders seinen Kaffee trinken sind 50+ Prozent Nichtwähler ein gutes Indiz was der Bürger von seiner Vertretung in Brüssel hält oder in Zukunft erwartet.
Andersherum formuliert könnte man sich jedoch auch fragen, warum die Teilnahme an Sitzungen etwas über die Qualität der Arbeit aussagt. Dazu dann die Frage warum in diesem Fall die Quote irgendwie schöngerechnet werden soll, wenn die Sitzungen nicht entscheidend für eine hochwertige Arbeit in Brüssel sind.
Die meisten Gesetze werden in Brüssel ausgeheckt. Vielleicht hätte Frau M. einfach sagen sollen : Hey ich war über 50% gar nicht da und bin somit für den Mist auch nicht verantwortlich. Das wäre ehrlich und charmant gewesen 🙂