07.10.2010: die beiden Dimensionen von Stuttgart 21
Auf Marcus‘ Kommentar hin möchte ich hier vielleicht nochmal klarstellen, daß es zwei Dimensionen von Stuttgart 21 gibt, die durchaus auseinanderzuhalten sind.
Auf der einen Seite ist da der übel aus dem Ruder gelaufene Polizeieinsatz. Grundsätzlich ist es natürlich schon so, daß die Polizei den Auftrag und rein formaljuristisch auch das Recht hatte, die Blockade der Baustelle zu räumen. Das mag einem nicht gefallen, es ist aber wohl so. Nur, ob aus Dummheit oder zynischer Berechnung, hat sich die Polizei in eine Lage gebracht, in der dieses Ziel nur noch durch Anwendung absolut nicht zu rechtfertigender Gewalt mit Gefahr für mindestens Leib, wenn nicht Leben, friedlicher Menschen zu erreichen war. Vieles spricht natürlich für die zweite Theorie, aber beweisen kann man das – wie üblich, wenn der Verdacht schwerster Straftaten gegen Polizisten im Raum steht – nicht. Sei es wie es sei, der Einsatz hätte abgebrochen werden können, und müssen. Daß nun auch noch wenig überzeugende, weil wahrscheinlich im Nachhinein gestellte, Filmchen vorgeführt werden, erhöht die Erbärmlichkeit des Ganzen nur noch.
Zu beneiden ist die Polizei andererseits aber auch nicht. Ganz offenbar, und gemäß dem Zeitgeschmack, wird unter dem Deckmäntelchen einer im Prinzip ja sinnvollen Zielsetzung, nämlich der Verbesserung der recht chaotischen Eisenbahninfrastruktur im Raum Stuttgart, ein Monstermilliardenprojekt durchgedrückt. Alternativen werden nicht geprüft, begründete Bedenken weggewischt. Wer dagegen ist, dem wird vorgeworfen, er stelle sich gegen die hehre, wenn auch nur vorgeschobene, Zielsetzung, und nicht nur gegen das Milliardenmonster.
Daß sich eine Kostenexplosion einstellt, verwundert niemanden. Während in Baden-Württemberg die Milliarden ungebremst in die Erde gepflügt werden sollen, ist für den Rest des Landes auf viele Jahre kein Geld mehr da – alles Andere verrottet, dringend benötigte Maßnahmen sind wegen des Großprojekts mit ungewissem Ausgang nicht finanzierbar. Der Gedanke an Korruption in ganz großem Ausmaß stellt sich unweigerlich ein.Und die „arme“ Polizei muß den Scheiß dann gegen friedliche Demonstranten durchdrücken.
Ganz klar: Hier liegt Monumentalversagen auf der obersten Ebene vor. Mittlerweile hat wohl selbst Mappus gemerkt, daß er überzogen hat. Nur muß natürlich vor ergebnisoffenen Gesprächen ein vollständiger Baustopp her. Man kann schließlich nicht vornerum verhandeln und hintenrum Fakten schaffen.
Daß nun ausgerechnet der Juchtenkäfer wenigstens dem Baumfällen ein zumindest vorläufiges Ende beschert hat, ist zwar im Ergebnis natürlich erfreulich, wirft aber kein gutes Licht auf die politischen Entscheidungsprozesse in desem Land. Wieder einmal.
eine Antwort auf „die beiden Dimensionen von Stuttgart 21“
-
von Sebastian
am 08.10.2010:
Das dank solcher Projekte die Milliarden verschlingen kein Geld mehr für sinnvolle Sachen da ist kennen wir ja auch anderen Bundesländern und Städten.
Für U-Bahn Bau sind Millionen da, für Hochhausbau und andere „tolle“ Projekte ebenfalls, für Jugendzentren, Schulessen, Kindergärten ect fehlt es dann aber leider.
Und ein Theater oder ein Opernhaus ist auch ein bisschen viel verlangt, Museen könnten auch geschlossen werden.