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buntklicker.de

das Blog von Martin Ibert: Merkwürdiges, Banales und Persönliches aus Deutschlands einziger Stadt

Politik

14.10.2015: Was jeder über Flüchtlinge wissen sollte, …

… in einer praktischen FAQ zusammengestellt.

25.04.2012: Herdprämie oder Säufergeld? Nun ist es raus.

Noch ist es nicht amtlich, aber es wird wohl so kommen: Das sogenannte Betreuungsgeld wird es wohl nicht für Familien geben, die von Arbeitslosengeld 2 leben (also jedenfalls nicht im Ergebnis). Damit zeigt die Maßnahme ihren wahren Zweck: Leuten Geld in den Hintern zu blasen, die es absolut nicht brauchen.

Versteht mich nicht falsch; ich finde es absolut richtig, finanziell bedürftigen Familien kein Betreuungsgeld zu zahlen, denn das würde einen katastrophalen Fehlanreiz setzen, Kinder aus der Sozialisierung zu nehmen, um ein paar Euro mehr auf die Hand zu bekommen. Aber so, wie es jetzt aussieht, wird das Betreuungsgeld vor allem Familien zugute kommen, die ihre Kinder ohnehin nicht in die staatliche Betreuung geben (was da so für Volk rumläuft, also bitte, mit denen soll mein Kind doch nicht spielen müssen) und auch heute schon in der Lage sind, ihr Kind zuhause zu betreuen.

Also mal wieder eine Umverteilung von unten nach oben. Großartig.

06.01.2011: Ach, Gesine!

Was hat sich Gesine Lötzsch nur dabei gedacht? In einem Beitrag für die „Junge Welt“ spricht sie von „Wegen zum Kommunismus“, überschreibt ihn sogar so. Und, welch Wunder, alle fallen über sie her – je weniger Durchblick, desto heftiger. Das hätte man kommen sehen können. Gerade als die Linke anfangen will (und muß), sich in Richtung Gestaltungsfähigkeit zu entwickeln, da uns in Deutschland ja langsam die nicht komplett untragbaren Parteien ausgehen, haut sie so ein Ding raus. Warum nur, warum?

Der Verlust an Glaubwürdigkeit für die ganze Partei dürfte enorm sein. Denn kaum hört der brave Bürger das K-Wort, hat er die völlig falschen Assoziationen. Da wird dann schon mal gegeifert, die Linke wolle zurück in die DDR. Doch das glaube ich nicht.

Leute, bedenkt doch bitte mal eins: Das, was in der Sowjetunion, der DDR und anderen Satellitenstaaten ablief, hatte mit Kommunismus ungefähr so viel zu tun wie das, was die derzeitige Bundesregierung macht, mit Regieren zum Wohl des Volkes. Die Regimes, die sich bisher „kommunistisch“ geschimpft haben, waren doch in Wahrheit ausbeuterische Diktaturen, in denen sich eine herrschende Klasse zu Lasten des Volks bereichert und ihre Macht mit Gewalt und Unterdrückung erhalten haben. Was soll daran bitte kommunistisch sein? (Okay, der cubanischen Führung würde ich zugestehen, daß sie zumindest versucht, es richtig zu machen, aber klappen tut es ja auch da nicht.)

Wenn man sich die Mühe macht, den Artikel von Gesine Lötzsch ganz zu lesen, stellt man fest, daß sie das wohl auch so sieht:

Wenn Kommunismus das Gemeinschaftliche betont und der Liberalismus den einzelnen, dann wollte Rosa Luxemburg beides zugleich – […] Eine Gesellschaft ohne Freiheit wäre für sie nur ein neues Gefängnis gewesen, so wie ihr eine Gesellschaft ohne Gleichheit immer nur eine Ausbeutergesellschaft war. Sie forderte die Herrschaft des Volkes über Wirtschaft und Gesellschaft genauso ein wie die Freiheit des Andersdenkenden. Sie war radikale demokratische Sozialistin und konsequente sozialistische Demokratin. Deswegen konnte der sowjetische Parteikommunismus sich am Ende genausowenig mit ihr versöhnen wie der bürgerliche Liberalismus.

Der Unterschied zwischen dem, was Rosa Luxemburg wollte, und dem sowjetischen Parteikommunismus ist ihr also durchaus klar.

Anderseits ist die Frage, ob unsere in immer zügelloseren Marktkapitalismus abgleitende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mit den aktuellen und künftigen Herausforderungen noch klarkommen wird, meiner Meinung nach absolut berechtigt. Ich habe durchaus auch meine Zweifel.

Das alles heißt aber nicht, daß man Frau Lötzsch ernsthaft vorwerfen kann, sie wolle die DDR zurück.

Andererseits glaube ich persönlich auch nicht, daß Kommunismus funktionieren kann; meiner Meinung nach sind wir Menschen dafür einfach nicht gemacht, uns selbstlos dem Gemeinwohl zu widmen, und werden immer Wege suchen, uns zu Lasten der anderen zu bereichern. Deswegen glaube ich, daß es nur so funktioniert, daß man den Menschen eine Möglichkeit gibt, für das eigene Wohl zu handeln und damit gleichzeitig, gewissermaßen als Nebenwirkung, das Gemeinwohl zu fördern. Nennt sich „soziale Marktwirtschaft“ und hat jahrzehntelang in der alten Bundesrepublik recht gut funktioniert.

Hier noch eine Abschnitt von Lötzsch‘ Artikel, den ich sehr interessant finde:

Auf jeden Fall wird es nicht den einen Weg geben, sondern sehr viele unterschiedliche Wege, die zum Ziel führen. Viel zu lange stehen wir zusammen an Weggabelungen und streiten über den richtigen Weg, anstatt die verschiedensten Wege auszuprobieren. Zu lange laufen wir auf Wegen, obwohl wir ahnen oder gar wissen, daß sie nicht zum Ziel führen. Doch wir kehren nicht um, weil wir Angst vor denen haben, die immer noch diskutierend an der Weggabelung stehen und uns mit höhnischem Gelächter empfangen könnten.

Wie weise! Sehr viel weiser jedenfalls als mit dem K-Wort um sich zu werfen und damit eine Abscheureflex bei so ziemlich jedem auszulösen, außer vielleicht bei denen, die DDR tatsächlich wieder haben wollen.

30.11.2010: Was ist denn daran wirklich so anders?

Wenn sich ein Informant widerrechtlich Daten über Kunden einer Bank beschafft, diese auf eine CD brennt und für ordentlich Zaster an deutsche Finanzbehörden verkauft (sich also selbst bereichert, hier sind eher keine altruistischen Motive im Spiel), dann freuen sich die Behörden wie Schnitzel und tun fix das Ihre, um die entwichenen Steuerschäfchen, und vor allem die hinterzogenen Steuern, wieder einzufangen. Außer den direkt Betroffenen regt sich auch kaum jemand auf, hier und da wird ein kritisches Wort laut, aber das war’s dann auch. Und nun hat auch das Bundesverfassungsgericht dem seinen Segen gegeben.

Nun kann man natürlich geteilter Meinung darüber sein, was Julian Assange bzw. WikiLeaks dazu motiviert, massenweise geheime Dokumente von US-Behörden zu veröffentlichen. Auch hier ist aber davon auszugehen, daß die Daten nicht auf rechtlich einwandfreiem Weg erlangt wurden. Und plötzlich ist die Aufregung groß, Hans-Peter Friedrich von der CSU vergleicht WikiLeaks sogar mit der Stasi. Das ist natürlich völliger Schwachsinn, denn wenn die Stasi irgendwas nicht gemacht hat, dann geheime Informationen zu veröffentlichen. Die, die es sozusagen direkter betrifft, erniedrigen sich erst selbst, indem sie um Gnade flehen, und wollen die Enthüllungsplattform dann am liebsten zur terroristischen Organisation erklären lassen.

Dabei ist die Ausgangslage eigentlich in beiden Fällen ähnlich. Jemand tut etwas, von dem er sicherlich weiß, daß es falsch ist, und hofft, daß es nicht herauskommt. Dann kommt es eben doch heraus. Und trotzdem sind die Reaktionen so unterschiedlich.

Nebenbei bemerkt: Wenn nicht einmal die US-Regierung in der Lage ist, ihre Daten unter Verschluß zu halten, wer soll es dann können? Leider werden auch die jüngsten Appelle gegen die ungebremste Datensammelwut sicher ungehört verhallen, aber sie sind absolut berechtigt: Daten, die nicht erhoben oder gespeichert werden, können auch nicht „herauslecken“.

07.10.2010: die beiden Dimensionen von Stuttgart 21

Auf Marcus‘ Kommentar hin möchte ich hier vielleicht nochmal klarstellen, daß es zwei Dimensionen von Stuttgart 21 gibt, die durchaus auseinanderzuhalten sind.

Auf der einen Seite ist da der übel aus dem Ruder gelaufene Polizeieinsatz. Grundsätzlich ist es natürlich schon so, daß die Polizei den Auftrag und rein formaljuristisch auch das Recht hatte, die Blockade der Baustelle zu räumen. Das mag einem nicht gefallen, es ist aber wohl so. Nur, ob aus Dummheit oder zynischer Berechnung, hat sich die Polizei in eine Lage gebracht, in der dieses Ziel nur noch durch Anwendung absolut nicht zu rechtfertigender Gewalt mit Gefahr für mindestens Leib, wenn nicht Leben, friedlicher Menschen zu erreichen war. Vieles spricht natürlich für die zweite Theorie, aber beweisen kann man das – wie üblich, wenn der Verdacht schwerster Straftaten gegen Polizisten im Raum steht – nicht. Sei es wie es sei, der Einsatz hätte abgebrochen werden können, und müssen. Daß nun auch noch wenig überzeugende, weil wahrscheinlich im Nachhinein gestellte, Filmchen vorgeführt werden, erhöht die Erbärmlichkeit des Ganzen nur noch.

Zu beneiden ist die Polizei andererseits aber auch nicht. Ganz offenbar, und gemäß dem Zeitgeschmack, wird unter dem Deckmäntelchen einer im Prinzip ja sinnvollen Zielsetzung, nämlich der Verbesserung der recht chaotischen Eisenbahninfrastruktur im Raum Stuttgart, ein Monstermilliardenprojekt durchgedrückt. Alternativen werden nicht geprüft, begründete Bedenken weggewischt. Wer dagegen ist, dem wird vorgeworfen, er stelle sich gegen die hehre, wenn auch nur vorgeschobene, Zielsetzung, und nicht nur gegen das Milliardenmonster.

Daß sich eine Kostenexplosion einstellt, verwundert niemanden. Während in Baden-Württemberg die Milliarden ungebremst in die Erde gepflügt werden sollen, ist für den Rest des Landes auf viele Jahre kein Geld mehr da – alles Andere verrottet, dringend benötigte Maßnahmen sind wegen des Großprojekts mit ungewissem Ausgang nicht finanzierbar. Der Gedanke an Korruption in ganz großem Ausmaß stellt sich unweigerlich ein.Und die „arme“ Polizei muß den Scheiß dann gegen friedliche Demonstranten durchdrücken.

Ganz klar: Hier liegt Monumentalversagen auf der obersten Ebene vor. Mittlerweile hat wohl selbst Mappus gemerkt, daß er überzogen hat. Nur muß natürlich vor ergebnisoffenen Gesprächen ein vollständiger Baustopp her. Man kann schließlich nicht vornerum verhandeln und hintenrum Fakten schaffen.

Daß nun ausgerechnet der Juchtenkäfer wenigstens dem Baumfällen ein zumindest vorläufiges Ende beschert hat, ist zwar im Ergebnis natürlich erfreulich, wirft aber kein gutes Licht auf die politischen Entscheidungsprozesse in desem Land. Wieder einmal.

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