14.11.2008: im Schleichtempo durch die Stadt
Vor vielen Jahren wurde in Berlin mal beschlossen, den Durchgangsverkehr von Wohnvierteln fernzuhalten und auf den Durchgangsstraßen zu konzentrieren. Dazu wurden Wohnstraßen flächendeckend zu Tempo-30-Zonen, und in der Folge lohnte es sich in vielen Fällen einfach nicht mehr, eien Abkürzung durch Wohnstraßen zu nehmen, und der Verkehr konzentrierte sich wunschgemäß auf den Hauptverkehrsstraßen.
Seit einiger Zeit greift nun aber eine neue Unsitte um sich: Durchgangsstraßen nachts (von 22 bis 6 Uhr) auf 30 km/h zu limitieren. Was soll das denn bitte? Wer an einer Durchgangsstraße lebt, weiß das; und ich habe auch arge Zweifel, daß es tatsächlich merkbar leiser wird durch die neuen Schilder. Wozu haben wir denn vor Jahren die Tempo-30-Zonen eingeführt? Plötzlich ist der Schleichweg durchs Wohngebiet doch wieder attraktiv, ausgerechnet nachts. Oder sind diese oft nur kurzen und nach schwer nachvollziehbaren Kriterien ausgewiesenen Langsamfahrstellen eigentlich nur eine Möglichkeit, nächtliche Autofahrer, die mit derlei Schikanen nicht rechnen, abzukassieren?
Wir werden es nicht erfahren. Aber es nervt gewaltig.
31.10.2008: Na gut. Dann nicht.
Ich streife jetzt bewußt die Trauer über die eklatanteste Fehlentscheidung der Berliner Landespolitik seit Urzeiten ab und schreibe wieder über Banales. Den Blick nach vorne zu richten gehört zu den definierenden Tugenden des Berliners; also: Weitermachen!
Seit ein paar Jahren schon schleicht sich bei uns in Deutschland nach dem Valentinstag ein weiterer aus den Vereinigten Staaten importierter Kommerzfeiertag ein: Halloween. Und ich gebe es ja zu: Ich werde da schwach, wenn Horden marodierender Kinder und Jugendlicher an unsere Tür klopfen und „Süßes, sonst gibt’s Saures!“ fordern, möchte ich vorbereitet sein. Also haben wir für ein paar Euro Süßkram eingekauft und waren so ab dreiviertel Sieben bereit für Überfälle. Für einen Doppelverdienerhaushalt ist das ziemlich früh. Nun gut, es ist Freitag … sonst sind wir oft eher erst um acht zuhause.
Und? Nix. Keiner. Niemand. Kein Klingeln, gar nichts. Nun steht das Zeug hier rum.
Liebe Halloween-Geister: Ihr müßt dann schon auch mal kommen, wenn ich es weiterhin durchhalten soll, etwas Süßes für Euch bereitzuhalten.
Ach ja: Ich als säkularisierter Protestant fand die Geschichte über den Heidenspaß sehr unterhaltsam. Viel Spaß damit!
31.10.2008: aus und vorbei
Hat alles nichts genützt; wo der schiere Starrsinn spricht, haben Argumente keine Chance. Berlin-Tempelhof ist kein Verkehrsflughafen mehr, nach 85 Jahren endet die Geschichte des ideal gelegenen Innenstadtflughafens und einmaligen Wettbewerbvorteils für Berlin.
Traurig, einfach nur traurig. Dazu kann man kaum mehr sagen.
Doch schon bald steht der nächste Kampf steht an. Vielleicht gelingt es ja, Berlin-Tegel zu retten. Ich kann mich an den Gedanken an ein Berlin ohne eigenen Flughafen einfach nicht gewöhnen. Schönefeld ist nicht Berlin.
28.10.2008: erst zocken, dann meckern
Wenn das mal keine guten Nachrichten sind: Ein deutsches Unternehmen trotzt dem allgemeinen Abwärtstrend der Börse, der Kurs schießt in den Himmel wie die Raketen zu Silvester. VW mit der höchsten Marktkapitalisierung der Welt! Wer hätte das gedacht?
Einige „Marktteilnehmer“ wohl nicht, die mit Leerverkäufen auf fallende Kurse spekuliert und sich dabei kräftig verhoben haben. So ist das halt: Wer zockt, kann auch verlieren, und wer leer verkauft, muß sich wieder eindecken, koste es, was es wolle. Wenn dann auch noch weniger Aktien überhaupt frei zirkulieren, als zur Deckung der Leerverkäufe notwendig sind, passiert genau das, was wir gerade gesehen haben.
Richtig ist natürlich: Der Höhenflug des VW-Kurses hat keinen realen Hintergrund. VW geht es genausowenig blendend wie anderen Autobauern auch, und wie bei den Raketen zu Silvester wird dem steilen Anstieg auch wieder der Absturz auf den Boden der Realität folgen.
Jetzt hört man allgemeines Murren. Das dürfe nicht sein, die Börse sei ein Tollhaus, ein Kasino gar, es müsse eingegriffen werden. Aber nicht eine Anpassung des DAX, wie von manchen jetzt gefordert, ist hier gefragt, sondern ein Verbot hochspekulativer Finanzinstrumente und -manöver, insbesondere der Leerverkäufe. Dem Grundproblem, daß die Börsenkurse vielfach überhaupt nichts mehr mit einer realistischen Bewertung der Unternehmen zu tun haben, sondern von Spekulationen hochgetrieben oder zum Absturz gebracht werden, kann und sollte man nicht mit hektischen Sofortmaßnahmen im Einzelfall begegnen, sondern mit einer grundsätzlichen Änderung der Spielregeln.
Nebenbei: Was hat sich Porsche eigentlich dabei gedacht, die eigenen Übernahmepläne publik zu machen, zumal in dieser Situation? Was haben sie vor? Wollen sie am Ende alles verkaufen und dabei unglaublich reich werden?
24.10.2008: Und jetzt? Was machen wir jetzt?
Wenn die Panik regiert, schweigt die Vernunft – anders kann man das Geschehen an den Börsen zur Zeit nicht erklären. Daimler droht damit, im Jahre 2008 statt 7,7 nur noch gut 6 Milliarden Euro verdienen zu können, und die Aktie geht in den Sturzflug. Au weia, schon wieder eine Gewinnwarnung!
Ihr habt noch nichts gesehen. Wenn es so kommt, wie es kommen müßte, kommt es noch schlimmer. Für die profitablen Unternehmen jedenfalls.
Gerade für uns in Deutschland als bisher weltgrößte Exportnation, der zunehmend die ausländischen Märkte abhanden kommen, muß es jetzt heißen: Binnennachfrage ankurbeln! Und dafür braucht man Geld, und zwar für die einkommensschwachen Haushalte. Und Vertrauen. Wie ich neulich schon in einem Kommentar zu Svens Politikblog schrieb (er ist übrigens ein Apokalyptiker), brauchen wir jetzt eine massive Umverteilung von Unternehmensgewinnen hin zu den privaten Haushalten, insbesondere zu denen, die es sich nicht leisten können, Geld zu sparen. Denn seien wir doch mal ehrlich: Wenn mir (der ich, obwohl ich gerne jammere, ja so schlecht nun auch nicht bezahlt werde) jemand einfach so 100 Euro gibt, spare ich die. Jedenfalls teilweise. Damit sind sie für den Wirtschaftskreislauf erst einmal verloren. Gibt man die 100 Euro aber einem allein erziehenden Hartz-IV-Opfer mit hungrigen Kindern, dann werden die ausgegeben. Aber sofort. Das bringt die Inlandsnachfrage in Gang.
Für die Unternehmen, die bisher noch gute Gewinne eingefahren haben, heißt das: Raus mit der Kohle an die unteren Lohngruppen! Dividenden und Vorstandsboni aussetzen, alles an die Belegschaft ausschütten, was da ist. Das, und eine glaubhafte Zusicherung, betriebsbedingte Kündigungen nur bei drohender Insolvenz auszusprechen (das war die zweite benötigte Komponente – Vertrauen), würden Wunder wirken, um die Inlandsnachfrage in Schwung zu bringen. Muß ja nicht für ewig sein, ein paar Jahre genügen vielleicht schon.
Ach ja. Wieder nur ein Traum. Aber daß mir keiner hinterher erzählt, es hätte niemand einen Vorschlag zur Lösung gehabt.
🙂
Nachtrag: Wow, das ist doch was: Nach wenigen Minuten mit „Wenn die Panik regiert, schweigt die Vernunft“ auf Platz 1 bei Google!
