Politik
31.10.2009: der Blindflug beginnt
Der Koalitionsvertrag ist unter Dach und Fach, die Regierung ist vereidigt. Nun geht es los.
Man muß der FDP immerhin das Kompliment machen, zumindest einige ihrer Ziele (und zwar die richtigen) zumindest in den Koalitionsvertrag gerettet zu haben. Wir werden sehen, inwieweit sich das in der alltäglichen Politik wiederfinden wird.
Auch wenn die CDU – die andere Unionspartei spielt ja keine gestaltende Rolle – ihr neu gefundenes soziales Gewissen aus der Zeit der Großen Koalition verteidigen will, so beginnt jetzt trotzdem der politische Blindflug. Die komplett idiotischen Ideen bezüglich der Krankenversicherung hat Norbert Blüm – Ex-CDU-Minister – ja schon im Tagesspiegel komplett verrissen. Ein kompletter Fehlstart ist es auch, Eltern dafür zu bezahlen, ihre Kinder nicht in die Kinderbetreuung zu schicken. Ob die Eltern die Kohle versaufen, wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky vermutet, ist da fast schon egal.
(Nachtrag: Schande, wem Schande gebührt: Diese komplett schwachsinnige Idee hat die bayerische Schwesterpartei dann doch durchbekommen. So blöd ist nicht mal die CDU.)
Insgesamt macht sich der Eindruck breit, daß die neue Regierungskoalition – mit einem Mandat von gut einem Drittel der Wahlberechtigten ausgestattet und damit natürlich nicht eine Mehrheit der Bevölkerung repräsentierend, aber dennoch mit einer (in ihrem Umfang verfassungswidrig erlangten) Bundestagsmehrheit ausgestattet – sich zum Erfolg verdammt sah und deswegen einen Koalitionsvertrag voller fauler Kompromisse geschlossen hat.
Es kann nur schlimmer werden. Und es wird schlimmer werden.
Bald.
27.09.2009: Scheiße. Und jetzt?
Das ging in die Hose. Ich war nicht wirklich überrascht, aber natürlich schon ein bißchen geschockt. Daß es so schlimm kommt – ich sage mal, ich hab gehofft, daß das nicht eintritt.
Schlimm sieht es vor allem für die Wirtschaftspolitik aus. Die relativ erfolgreiche Krisenbewältigung war ja praktisch komplett eine SPD-Idee, genau wie – mit Ausnahme der Sicherheitspolitik, die ja komplett für’n Arsch war – die gesamte Regierungspolitik in den letzten vier Jahren. Nun kommen völlige Noobs an den Start.
Ich hoffe nur, daß die FDP wenigstens die Erosion der Grundrechte aufhalten und vielleicht sogar zurückrollen kann. Früher habe ich ja immer gerne damit kokettiert, daß ich keinen Grund erkennen kann, warum man FDP wählen sollte. Das ist diesmal nicht so. Guido Westerwelle hat am Sonnabendabend in der ProSieben-Sendung etwas ziemlich Schlaues gesagt: Wer die Piraten wählen will, aber sicher sein will, daß die Stimme auch im Bundestag landet, soll FDP wählen. Schlauer Schachzug.
Ich hoffe, er kann es einlösen.
26.09.2009: Wen wählt man denn nun?
Morgen ist Bundestagswahl, und natürlich werde ich wählen gehen. Ich habe mich auch weitgehend entschieden, wen ich wähle.
Eins jedenfalls ist mir vollkommen klar: Wen ich nicht wählen werde.
- Die SPD, denn eine Partei, deren Abgeordnete im Bundestag für Vorratsdatenspeicherung und Internetzensur stimmen, ist für mich als Netzbürger natürlich nicht wählbar. Obwohl man andererseits anerkennen muß, daß die SPD, die ja die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung praktisch im Alleingang gestaltet, dies im vergangenen Jahr ziemlich gut gemeistert hat, während der eigentlich zuständige Fachminister nur rumfaselt und wohl als Totalausfall gelten muß. Andererseits gestaltet die SPD die Regierungsarbeit ja sowieso praktisch alleine. Vorbei die Zeit, als Bundeskanzler Schröder noch selbst Politik machte. Mit Angela Merkel ist das Amt offensichtlich zum reinen Repräsentationsjob verkommen.
- Damit ist natürlich auch die CDU draußen, wenn sie das nicht wegen der auch sonst völlig verfehlten Vorstellungen auf fast allen Politikfeldern nicht sowieso immer schon gewesen wäre. Gut, daß die Union in der Bundesregierung kaum etwas mitzubestimmen hat, da sie sich von Anfang an fast nur Gute-Laune-Ministerien gesichert hat. Das, was sie mitbestimmt, ist schlimm genug.
- Die FDP hat zwar im Bezug auf Bürger- und Menschenrechte schon einige sehr lobenswerte Standpunkte, aber leider überhaupt keinen Durchblick in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wer glaubt, der freie Markt würde es schon richten, hat irgendwie die Zeiten der Zeit komplett verschlafen. Wirtschaft braucht Regeln, und Menschen brauchen Solidarität, und beides ist bei der FDP eher nicht anzutreffen. Sehr witzig ist übrigens das Liberalometer, eine Art Ein-Parteien-Wahlomat. Meine Übereinstimmung mit den These der FDP liegt angeblich bei über 60 %. Kein Wunder, wenn die Thesen zum großen Teil wie „wir wollen, daß alles gut wird“ klingen.
- Mit den Linken kann ich mich auch irgendwie nicht anfreunden. Die meisten ihrer politischen Standpunkte, so wie sie öffentlich vertreten werden, scheinen mir zwar ganz vernünftig, aber ich traue denen einfach nicht über den Weg. Dabei stört mich weniger die DDR-Vergangenheit – so halte ich zum Beispiel Gregor Gysi für einen ziemlich vernünftigen Menschen, und auch im rot-roten Berliner Senat sind es eher die SPD-Senatoren, die durch Ausfälle auffallen, während zum Beispiel Wirtschaftssenator Harald Wolf im Hintergrund unaffällig gute Politik macht. Es sind eher die Ex-WASG-Leute, denen ich nichts zutraue, jedenfalls nichts Gutes.
Daß ich keine rechtsradikalen Splitterparteien wählen werde, versteht sich ja von selbst.
Und da stehe ich nun, fast entschlossen, nur noch etwas unsicher. Und Ihr so?
Arrrrr.
04.09.2009: Der Wahl-O-Mat ist wieder da!
Der Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2009 der Bundeszentrale für politische Bildung ist verfügbar! Und anders als bei den letzten paar Malen stellt er nicht fest, daß meine Ansichten am ehesten mit denen der Linken übereinstimmen. Die Linke ist diesmal nur auf den dritten Platz gekommen, hinter den beiden ersten Plätzen, die diesmal an die Piraten und die Grünen gehen.
Sieht so aus, als könne ich diesmal dem Ergebnis des Wahlomaten folgen. 🙂
16.06.2009: E-Mail an Detlef Dzembritzki: Nein zur Zensur im Internet!
Sehr geehrter Herr Dzembritzki!
Als Bürger Berlin-Reinickendorfs wende ich mich an Sie, „unseren“ Bundestagsabgeordneten.
Mit großer Bestürzung muß ich feststellen, daß auch Ihre Partei einen der Grundpfeiler der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung, das Verbot der Zensur, auf dem Alter der als Bekämpfung der Kinderpornographie getarnten Installation einer universellen Infrastruktur zur Zensierung des Internets opfern will.
Warum der vom Familienministerium aufgebrachte Weg zur Bekämpfung der Kinderpornographie völlig untauglich ist, kann man überall im Netz nachlesen (noch!), die Wiederholung erspare ich Ihnen und mir. Ich setze voraus, daß auch Ihnen klar ist, daß es darum überhaupt nicht geht und niemals gegangen ist.
Als Mitglied des Deutschen Bundestags sind Sie allein Ihrem Gewissen verpflichtet. Sollte es tatsächlich zu einer Abstimmung über ein Gesetz zur Einführung der Internetzensur kommen, so fordere ich Sie auf, auf Ihr Gewissen zu hören und mit „nein“ zu stimmen. Auf jeden einzelnen Abgeordneten kommt es an!
Über 130.000 Menschen haben sich bereits offen gegen eine Zensur ausgesprochen (E-Petition von Franziska Heine). Tun auch Sie alles in Ihrer Macht Stehende, um die Erosion der Demokratie in diesem Land aufzuhalten!
Mit freundlichen Grüßen
Martin Ibert
(abgesandt über das Kontaktformular auf der Website des Deutschen Bundestags)
